CubeSats für Bildung & Forschung –
Kleine Satelliten mit großer Wirkung
Einleitung
Wenn man an Satelliten denkt, haben viele Menschen zunächst gigantische Raumapparate vor Augen – tonnenschwer, mit ausladenden Solarpaneelen, gebaut von internationalen Raumfahrtagenturen wie der NASA oder der ESA. Solche klassischen Satelliten kosten oft hunderte Millionen Euro und benötigen große Raketenstarts. Doch seit den frühen 2000er-Jahren hat sich ein neues Konzept durchgesetzt, das die Welt der Raumfahrt nachhaltig verändert: CubeSats.
CubeSats sind winzige Würfel-Satelliten, die auf einer standardisierten Größe von 10x10x10 cm (1 Liter Volumen, 1,33 kg Gewicht) basieren. Mehrere Würfel können zu größeren Satelliten kombiniert werden, etwa 2U (10x10x20 cm), 3U (10x10x30 cm) oder sogar 12U. Der große Vorteil: geringe Kosten, schnelle Entwicklung und einfache Integration in bestehende Raketenstarts. Damit wurden CubeSats zu einem „Demokratisierungs-Instrument“ der Raumfahrt – plötzlich konnten auch Universitäten, Start-ups und kleinere Forschungsinstitute Satelliten ins All schicken.
Dieser Beitrag erklärt im Detail, was CubeSats sind, wie sie entwickelt werden, welche Anwendungen sie haben, welche Chancen und Risiken sie bergen und warum sie in Bildung und Forschung eine so zentrale Rolle spielen.
1. Ursprung und Entwicklung der CubeSats
Die Idee der CubeSats entstand Ende der 1990er-Jahre. Zwei Professoren, Jordi Puig-Suari von der California Polytechnic State University (Cal Poly) und Bob Twiggs von der Stanford University, suchten nach einer Möglichkeit, ihren Studierenden praktische Erfahrungen in der Satellitenentwicklung zu ermöglichen – aber mit erschwinglichen Kosten und einem schnellen Entwicklungszyklus.
Im Jahr 1999 stellten sie die CubeSat-Spezifikation vor: ein genormter Standard für Kleinsatelliten. Diese Standardisierung ermöglichte es, Startplätze zu teilen und sogenannte Picosatelliten kostengünstig in den Orbit zu bringen. Das erste große Startjahr war 2003, als gleich mehrere Universitäten CubeSats ins All schickten.
Seitdem explodierte die Anzahl an CubeSat-Missionen:
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2003: Erste Starts.
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2013: Über 100 CubeSats im Orbit.
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2025: Mehr als 2000 CubeSats gestartet – Tendenz weiter steigend.
2. Aufbau und Technik eines CubeSats
Ein CubeSat ist im Kern ein kompakter Mini-Satellit, der alle wesentlichen Systeme wie „große Brüder“ enthält, nur stark verkleinert:
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Struktur
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Standardisierte Aluminium-Rahmen (10x10x10 cm pro Einheit).
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Schutz vor Vibrationen beim Raketenstart.
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Energieversorgung
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Mini-Solarzellen auf den Außenseiten.
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Kleine Lithium-Ionen-Akkus speichern Energie.
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Kommunikation
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Meist Funk im UHF- oder VHF-Bereich, teilweise S-Band oder Laser.
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Datenraten sind begrenzt, reichen aber für Messwerte oder kleine Bilder.
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Steuerung und Lagekontrolle (ADCS – Attitude Determination and Control System)
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Sensoren: Magnetometer, Gyroskope, Sonnensensoren.
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Aktoren: Magnetspulen oder Mini-Reaktionsräder.
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Damit kann sich ein CubeSat ausrichten, z. B. für Kameras.
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Nutzlast
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Hier sitzt das eigentliche Experiment: Kamera, Sensor, Funksystem, Minispektrometer etc.
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Onboard-Computer
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Kleine Mikrocontroller (ähnlich wie Raspberry Pi oder Arduino, aber strahlungsresistent).
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Steuern alle Abläufe und speichern Daten.
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3. Bildungsaspekt: Lernen durch Bauen
Der größte Vorteil von CubeSats in der Bildung: Studierende können ein komplettes Raumfahrtprojekt erleben – von der Planung über die Hardwareentwicklung bis hin zum Raketenstart.
Vorteile für die Ausbildung:
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Praxisnahes Lernen: Statt nur theoretisch zu rechnen, bauen die Studierenden echte Satelliten.
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Teamarbeit: CubeSat-Projekte erfordern interdisziplinäre Zusammenarbeit (Elektrotechnik, Informatik, Mechanik, Physik).
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Motivation: Die Aussicht, ein selbst entwickeltes Gerät im All zu sehen, ist ein starker Antrieb.
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Karriereförderung: Absolventen mit CubeSat-Erfahrung sind in der Raumfahrtindustrie sehr gefragt.
Viele Universitäten weltweit betreiben CubeSat-Programme. Beispiele:
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ESTCube-1 (Estland, 2013) – Studentensatellit zur Untersuchung von elektrischen Segeln.
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AAUSat (Dänemark) – Serie von Studentensatelliten, die seit 2003 regelmäßig gestartet werden.
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MOVE (Technische Universität München) – Studentensatelliten mit Kamera-Experimenten.
4. Forschungseinsatz von CubeSats
CubeSats sind nicht nur für die Ausbildung interessant – sie leisten auch echte wissenschaftliche Arbeit.
Typische Einsatzfelder:
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Erdbeobachtung
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Mini-Kameras für Umwelt- und Klimaforschung.
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Überwachung von Ozeanen, Eisflächen, Waldbränden.
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Astronomie
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Kleine Teleskope für UV- oder Röntgenastronomie.
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Vorteil: günstige Starts ermöglichen Experimente, die sonst zu teuer wären.
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Atmosphärenforschung
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Messung von Temperatur, Dichte und Zusammensetzung der oberen Atmosphäre.
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Wichtig für Klimamodelle und Satellitenschutz.
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Weltraumwetter
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Detektion von Sonnenstürmen und Magnetfeldveränderungen.
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Relevanz: Schutz von Stromnetzen und Kommunikationssystemen.
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Technologie-Demonstration
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Test neuer Sensoren, Materialien oder Kommunikationssysteme.
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CubeSats dienen als „fliegendes Labor“.
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5. Vorteile der CubeSats
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Kostengünstig: Entwicklungskosten zwischen 100.000 und 2 Mio. € (klassische Satelliten: >100 Mio. €).
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Schnelle Entwicklung: Ein CubeSat kann in 1–2 Jahren fertig sein (klassisch: 10+ Jahre).
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Standardisierung: Einheitliches Format erleichtert Integration in Raketenstarts.
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Zugang für alle: Universitäten, kleine Firmen, sogar Schülergruppen können CubeSats entwickeln.
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Vielfältig: Von Erdbeobachtung bis Astronomie sind viele Anwendungen möglich.
6. Herausforderungen und Risiken
So praktisch CubeSats sind, sie haben auch Nachteile:
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Begrenzte Lebensdauer
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Typisch 3 Monate bis 2 Jahre.
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Solarzellen, Batterien und Elektronik fallen schneller aus.
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Datenrate und Energie
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Kleine Antennen → wenig Bandbreite.
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Energie stark begrenzt.
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Weltraumschrott
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Kurze Lebensdauer kann zu mehr Schrott führen.
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Lösung: CubeSats in niedrigen Orbits starten (automatischer Wiedereintritt).
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Strahlung
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Billige Elektronik ist anfällig für kosmische Strahlung.
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Satelliten können spontan abstürzen oder Daten verlieren.
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7. CubeSats und internationale Zusammenarbeit
Viele CubeSat-Projekte sind multinationale Kooperationen:
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QB50-Projekt: 50 CubeSats von Universitäten weltweit zur Atmosphärenforschung.
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ESA Fly Your Satellite!: Europäisches Ausbildungsprogramm für Studierende.
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NASA CubeSat Launch Initiative: Stellt Startplätze für Universitäten zur Verfügung.
8. Zukunft der CubeSats
Die Entwicklung geht rasant weiter:
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Konstellationen von CubeSats: Schwärme aus Dutzenden Minisatelliten für globale Abdeckung.
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Deep-Space-Missionen: CubeSats auf dem Weg zum Mond oder Mars (z. B. MarCO-Satelliten 2018 bei der Marsmission InSight).
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Laserkommunikation: Datenraten wie bei großen Satelliten.
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Kommerzialisierung: Start-ups nutzen CubeSats für Wetterdienste, Internet of Things (IoT), Tracking von Schiffen und Flugzeugen.
9. Bedeutung für Gesellschaft und Wissenschaft
CubeSats tragen zur Demokratisierung der Raumfahrt bei:
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Mehr Länder können an Raumfahrt teilnehmen.
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Günstige Satelliten ermöglichen weltweite Forschung.
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Schulen und Universitäten fördern technisches Verständnis.
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Unternehmen entwickeln neue Geschäftsmodelle im All.
10. Fazit
CubeSats sind ein Beispiel dafür, wie eine kleine technische Innovation eine ganze Branche verändern kann. Was als Universitätsprojekt begann, hat sich zu einem globalen Standard entwickelt. Heute ermöglichen CubeSats Bildung auf höchstem Niveau, leisten wichtige Beiträge zur Forschung und treiben die Raumfahrt in neue Richtungen.
Auch wenn sie Grenzen haben – ihre Kosteneffizienz, Flexibilität und Zugänglichkeit machen sie zu einem der wichtigsten Werkzeuge der modernen Weltraumtechnik.
📚 Quellenangaben
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Puig-Suari, J., Turner, C., & Ahlgren, W. (2001). Development of the standard CubeSat deployer and a CubeSat class PicoSatellite. IEEE Aerospace Conference.
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Twiggs, R. J. (2003). The origin of CubeSat. Small Satellite Conference.
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NASA CubeSat Launch Initiative: https://www.nasa.gov/cubesat
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ESA Fly Your Satellite!: https://www.esa.int/Education/Fly_Your_Satellite
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Heidt, H., Puig-Suari, J., Moore, A., Nakasuka, S., & Twiggs, R. (2000). CubeSat: A new generation of picosatellite for education and industry low-cost space experimentation.
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National Academies of Sciences (2016). Achieving Science with CubeSats: Thinking Inside the Box.
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